Bei einem Treffen in Kiew lud der ukrainische Präsident Petro Poroschenko den Vater der polnischen Marktwirtschaft, Leszek Balcerowicz, dazu ein, den Reformkurs des Landes zu begleiten. Doch Balcerowicz ist nicht unumstritten und die Auswirkungen einer „Schock-Therapie“ für die Ukraine unklar.
In Polen polarisiert er, in der Ukraine leuchtet er als Hoffnungsschimmer am Horizont: Leszek Balcerowicz, seines Zeichens ultraliberaler Reformer, führte in Polen nach dem Sturz des Kommunismus einen harten Reformkurs durch, in Folge dessen sich die Schere zwischen Arm und Reich explosionsartig auseinander riss. Der sog. „Balcerowicz Plan“ des damaligen Finanzministers bestand mitunter aus radikalen Kürzungen des Staatshaushaltes und einer massiven, von vielen als wild bezeichneten, Privatisierung. In der Folge durchlebte Polen schwierige Zeiten mit einem massiven Einbruch der Wirtschaft (-9,68% BIP 1990, -7,02% BIP 1991) und in die Höhe schnellenden Arbeitslosenzahlen (12,2% 1990, 14,3% 1991).
Einige haben sich durch die überstürzte Privatisierung bereichert, die Masse verlor das Bisschen, was ihnen vorher der Kommunismus gab. Dem Land wurde ein kalter Entzug verordnet, die Auswirkungen sind noch immer spürbar. Gegenmeinungen heben hervor – und das muss man der Fairness halber sagen – Polen sei nach dem Sturz der kommunistischen Regimes in einer äußerst schwierigen Situation gewesen, aus der nur radikale Maßnahmen halfen.
Ukraine soll profitieren
Jetzt soll der Autor der „Schock-Therapie“ also die Ukraine gen Westen führen, auf den Weg zu Wohlstand und kapitalistischem Glück. „Die Ukraine, die den Reformpfad beschreitet, ist an den Erfahrungen Polens interessiert, zum Beispiel im Bereich Selbstverwaltung“, sagte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko letzte Woche bei einem Treffen mit Balcerowicz in Kiew.
Kritische Stimmen in Polen befürchten, dass sich durch eine solche Öffnung das Land zu einer Kolonie Europas und der USA entwickeln werde. Abhängig durch westliche Kredite wäre das Land ideal als gefügiger Rohstofflieferant und Reservoir für billige Arbeitskräfte. Andere Kommentatoren hingegen bezeichnen Balcerowicz als Vater der polnischen Marktwirtschaft, der die ukrainischen Reformen tatkräftig begleiten könnte.
Die Geschichte wird mit gebührendem Abstand bewerten, wer recht hat. Doch nie werden wir erfahren, wie sich das Land entwickeln würde, wenn es einen anderen Pfad einschlagen würde und zum Beispiel als unabhängiges Land erst einmal versuchen würde, eine eigene Industrie aufzubauen.
Bild: Leszek Balcerowicz // (cc) Lukas Plewnia/Friedrich-Ebert-Stiftung Warschau [CC BY-NC-ND 2.0]