Walesa unter Beschuss

Polen ringt um seine Ikone. Nach Aktenfunden im Haus des kürzlich verstorbenen kommunistischen Generals Czeslaw Kiszczak werden wieder Anschuldigungen laut, Lech Walesa sei ein geheimer Mitarbeiter des polnischen kommunistischen Regimes gewesen. Bisher gewann die Solidarnosc-Ikone jeden Prozess. Doch was ist dran an den neuerlichen Anschuldigungen?

Solidarnosc-LogoPolen hat nicht viel, was auf der Welt bekannt ist. Da sind Pierogi (Maultaschen), der polnische Papst Johannes Paul II. und Krakau. Die einzige lebende weltweit bekannte Ikone der polnischen Politik ist Lech Walesa, der als Solidarnosc-Anführer einen großen Beitrag zur gewaltlosen Transformation in Polen und Europa hatte. Doch die Polen neigen dazu das Schöne, was sie hervorbrachten, zu zerstören. So wird Walesa schon seit Jahren von einem Teil seiner ehemaligen Weggefährten angefeindet. Denn einige Jahre nach 1989 zerfiel das Post-Solidarnosc-Lager in mehr oder weniger konservative Gruppen. Eine später sehr erfolgreiche Gruppe unter der Führerschaft der Kaczynski-Zwillinge – Jaroslaw Kaczynski ist aktuell der heimliche Staatschef Polens – beschuldigt Walesa seit Jahren der Kollaboration mit dem kommunistischen Regime.

Die Geschichte geht so: Der Runde Tisch, an dem die Demokratisierung Polens ausgehandelt wurde, war in Wirklichkeit eine Verschwörung des alten und des neuen, liberalen Regimes. Die Kommunisten sollen demnach die politische Macht freiwillig abgegeben haben und dafür ungeschoren davon gekommen sein. Zudem erhielten sie wirtschaftliche Macht. Das neue Regime hingegen erhielt politische Macht. Dieser Geschichte nach soll Walesa als Mann der kommunistischen Eliten mit zu dieser Verschwörung beigetragen haben.

Jeden Prozess gewonnen

Erzählt wird diese Geschichte gerne von der konservativklerikalen Rechten, insbesondere Jaroslaw Kaczynski, der durch solche Verschwörungstheorien stetig seine Macht konsolidiert. Seit gestern erhält er wieder Aufwind. Ein Mitarbeiter des staatlichen Instituts für Nationales Gedenken (IPN) teilte mit, im Haus des kürzlich verstorbenen kommunistischen Generals Czeslaw Kiszczak seien Unterlagen gefunden worden, die auf einen Zusammenarbeit von Lech Walesa mit dem kommunistischen Regime hindeuten.

Nicht klar ist jedoch, in wie weit diese Unterlagen echt sind. Expertengutachten, insbesondere graphologische, liegen bisher nicht vor. Darüber hinaus hat die polnische Staatssicherheit gerne mit gefälschten Dokumenten gearbeitet. Zudem haben gerade Häftlinge unter psychischer und körperlicher Folter alles unterschrieben, was ihnen vorgelegt wurde, ohne in Wirklichkeit mit dem Regime zusammen zu arbeiten.

Walesa bestreitet kategorisch die Zusammenarbeit mit den kommunistischen Machthabern, er hat bisher jeden Prozess gewonnen. Hier könnte es sich also um einen Sturm im Wasserglas handeln.

Bild: Solidarnosc-Logo // (cc) Lukas Plewnia / polen-heute.de [CC BY-SA 2.0] / Flickr