In Warschau brennen die Straßen – 30. Jahrestag der Einführung des Kriegsrechts

Während in den vorherigen Jahren Gegner und Befürworter der Einführung des Kriegsrechts auf die Straße gingen, hat sich die heutige Konfliktlinie verändert.

Es war die Nacht vom 12. auf den 13. Dezember 1981. Um 0.00 Uhr begann die Polizei (ZOMO) damit, Oppositionelle gefangen zu nehmen. Zur gleichen Zeit wurden alle Radio- und Fernsehsender durch Polizisten, Funktionäre der Staatssicherheit und Soldaten unter Kontrolle gebracht. Darüber hinaus ist das Telefonnetz, auch der Botschaften und Konsulate, abgeschaltet und die Zensur beim Briefverkehr eingeführt worden. Bis auf wenige Ausnahmen durfte keine gedruckte Presse erscheinen. Durch die eingeführte Polizeistunde war es den Bürgern verboten, zwischen 19.00 Uhr und 6.00 Uhr (später begann die Polizeistunde ab 22.00 Uhr) die Wohnung zu verlassen.

Das Polnische Radio informierte um 6 Uhr über die Einführung des Kriegsrechts, in dem eine Rede des Generals Wojciech Jaruzelski übertragen wurde.

Das Kriegsrecht wurde aufgrund des befürchteten Kontrollverlustes der kommunistischen Partei (PZPR) über die staatlich unabhängige Gewerkschaftsbewegung (NSZZ Solidarnosc) sowie aufgrund von Flügelkämpfe in der Partei eingeführt.

Als Reaktion hat die Gewerkschaft NSZZ Solidarnosc Streikaktionen durchgeführt, die in den folgenden Tagen durch die Polizei „befriedet“ worden sind. Bei der Auflösung des Streiks auf der Zeche Wujec in Kattowitz wurden 9 Bergleute von der Polizei getötet. Zwei große Kundgebungen auf den Straßen von Danzig und Krakau wurden brutal aufgelöst; in Danzig wurde das Feuer auf die Demonstranten eröffnet – drei Demonstranten wurden angeschossen und einer starben.

Zum Symbol des Wiederstandes wurde das V (Victory).

In den ersten Wochen sind ca. 5.000 Oppositionelle interniert worden – während der gesamten Dauer des Kriegsrechts waren es ca. 10.000. Größtenteils fielen Aktivisten der NSZZ Solidarnosc, Berater der Gewerkschaft und Intelektuelle dem kommunistischen Regime zum Opfer. Die höchsten Gefängnisstrafen beliefen sich auf 7 bis 10 Jahre. Die übliche Praxis war jedoch die Entlassung von Solidarnosc-Aktivisten und der Zwang zur Emigration.

Das Institut für nationales Gedenken (IPN) hat 2006 die Anzahl der Menschen, die während des Kriegsrechts auf Streiks und Kundgebungen getötet worden sind, auf 56 geschätzt. Insgesamt wurden einer Sejm Kommission zufolge, die in den Jahren 1989 bis 1991 arbeitete, mindestens 91 Menschen umgebracht. Es ist jedoch möglich, dass über 100 Menschen starben – ca. 90 Todesfälle konnten nicht aufgeklärt werden.

Das Kriegsrecht wurde am 31. Dezember 1982 ausgesetzt und am 22. Juli 1983 aufgehoben.

Während in den vorherigen Jahren Gegner und Befürworter der Einführung des Kriegsrechts auf die Straße gingen, hat sich die heutige Konfliktlinie verändert: Die größte Oppositionspartei (PiS) lenkt die Aufmerksamkeit auf die Tagespolitik. Themen der heute von PiS organisierten Kundgebung, die unter dem Motto Unabhängigkeit und Solidarität stand, waren die Außenpolitik der Regierung und der Souveränitätsverlust Polens. Der Regierung wird vorgeworfen, dass sie sich Deutschland unterordnet und wichtige Aspekte der polnischen Souveränität an ein zukünftig föderales Europa abgeben möchte, welches von Deutschland kontrolliert werden wird. Hierbei wird auf die jüngst von Kanzlerin Merkel ausgerufene Fiskalunion hingewiesen. Laut Schätzungen der Polizei haben ca. 3.000 Menschen der Demonstration beigewohnt. Sie verlief friedlich.

Lech Walesa verkündete heute, dass er davon angewidert ist, wie Kaczynski den Jahrestag zur aktuellen politischen Auseinandersetzung ausnutzt. Dabei war laut Walesa Kaczynski ein so unwichtiger Oppositioneller, dass er noch nicht einmal interniert wurde, sich heute jedoch zum Helden aufspielt.