Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski fordert die Todesstrafe für besonders drastische Morde. Dagegen empören sich weite Teile der Öffentlichkeit, auch die Kaczynski sonst freundlich gesinnte katholische Kirche bekennt sich dagegen.
Auf einer Pressekonferenz forderte Jaroslaw Kaczynski, der Vorsitzende der größten polnischen Oppositionspartei (PiS), die Einführung der Todesstrafe für besonders drastische Morde. In den Gesetzesentwurf, der von der Partei in nächster Zeit vorgelegt werden soll, sollen weitere Verschärfungen Einzug erhalten. So soll u.a. die Strafe für Mord angehoben und die frühzeitige Entlassung bei solchen Taten untersagt werden. Darüber hinaus soll die Definition der Körperverletzung mit Todesfolge geändert werden – eine solche Tat würde dann dem Mord gleich gesetzt.
Das Vorpreschen des Oppositionsführers ist in dieser Angelegenheit umso verwunderlicher, da es augenscheinlich keinen konkreten Anlass gibt. Die Forderung kann jedoch im Lichte des gerade begonnen Prozesses gegen Ryszard Cyba gesehen werden, der im Oktober 2010 in ein Parteibüro von PiS eingedrungen ist und Marek Rosiak, den Assistenten des Europaabgeordneten Janusz Wojciechowski (PiS) erschossen und Pawel Kowalski, den Assistenten des Sejm-Abgeordneten Jaroslaw Jagiello schwer verletzt hat.
Als weitere Ursache kann ein Wettrennen um die Wählerschaft am rechten Rand benannt werden. Nachdem Kaczynski die im September 2011 durchgeführten Parlamentswahlen verloren hat, ist Kritik an seiner Führung aufgekommen und mehr Mitspracherecht in der hierarchisch geführten Partei gefordert worden. Dieser Konflikt hat sich in der Folgezeit verschärft, worauf sich eine Gruppe um den Europaabgeordneten Zbigniew Ziobro von der Partei abgespalten hat und dabei ist, eine neue Partei (Solidarisches Polen) zu gründen. Die Gruppe ist so stark, dass sie mittlerweile eine eigene Fraktion im Sejm bildet. Solidarisches Polen versucht nun, Wählergruppen am rechten Rand zu erreichen, um sich somit eine stabile Wählerschaft für die nächsten Wahlen zu sichern. PiS hat sich jedoch in den letzten Jahren beständig nach rechts entwickelt – beide Gruppierungen kämpfen nun um dieselbe Wählerschaft.
Solidarisches Polen bekennt sich zwar zur Todesstrafe, diese könne jedoch aufgrund von völkerrechtlichen Bindungen und europäischen Verträgen in Polen nicht eingeführt werden. Von allen anderen im Sejm vertretenen Parteien wird die Einführung der Todesstrafe als unmenschlich und barbarisch verurteilt. Dieses wäre eine Rückschritt in die Zeiten der Volksrepublik Polen: Im kommunistischen Polen sind bis zur Einstellung der Todesstrafe (1988) über 1300 Menschen gehängt worden.
Jüngst haben sich auch der Papst und führende polnische Geistliche gegen diese Strafe ausgesprochen. So hat Benedikt XVI. während einer Generalaudienz in Vatikan dazu aufgerufen, die Todesstrafe weltweit abzuschaffen. Der polnische Erzbischof Jozef Michalik sagte, dass die Todesstrafe nicht ausgeführt werden muss, wenn die Bevölkerung vor verurteilten Straftätern geschützt werden kann. Auch der einflussreiche nationalkonservative katholische Radiosender Radio Maryja hat sich mit Verweis auf Johannes Paul II. von der Todesstrafe distanziert.
Rückendeckung erhält Kaczynski jedoch durch Umfragen, die deutlich machen, dass über 60 Prozent der polnischen Bevölkerung für die Einführung der Todesstrafe ist. Bei den bestehenden Machtverhältnissen im polnischen Parlament kann jedoch davon ausgegangen werden, dass ein solcher Gesetzesentwurf keine Chance hat.