Ein Abgeordneter der regierenden Recht und Gerechtigkeit (PiS) hat ein Gesetz vorgeschlagen, welches Warschau zur Megastadt machen soll. Demnach würden 32 umliegende Gemeinden angeschloßen werden. Die Opposition sieht darin den Versuch der PiS-Partei die nächsten Kommunalwahlen zu gewinnen. Die Regierung hingegen erklärt, dass Stadterweiterungen dieser Art öfters vorkämen und die Zeit gekommen sei, um den Bewohnern der polnischen Hauptstadt das Leben zu vereinfachen.
Grenzerweiterungen in der Vergangenheit
Die letzte großer Erweiterung fand 1951 statt. Damals wuchs Warschaus von 135 Quadratkilometern auf ca. 412 Quadratkilometer an. In den folgenden Jahren waren es nur noch kleinere Erweiterung, die die Stadt auf die heutigen 517 Quadratkilometer brachte.
Den letzten Versuch einer administrativen Umgestaltung der polnischen Hauptstadt unternahm die regierende PiS im November 2016. Warschau sollte von der Wojewodschaft Masowien getrennt werden und in einer eigenständigen administrativen Struktur aufgehen. Man wollte so dazu beitragen, dass in Masowien andere Gemeinden mehr von den EU-Zuschüssen profitieren, da diese zum größten Teil direkt nach Warschau fließen. Jenes Projekt wurde fallen gelassen.
Was würde sie diese Mal ändern?
Die Stadt Warschau hätte ca. 800 Tausend Einwohner mehr. Insgesamt wären es dann 2,571 Millionen Bürger und Bürgerinnen. Der Stadtpräsident wäre in einer Art Personalunion zugleich Bürgermeister der Gemeinde Warschau. Mit weiteren 32 Bürgermeistern würde er die administrativen Aufgaben der Stadt wahrnehmen. Der Rat der Stadt würde sich aus 50 Mitgliedern zusammensetzen – jeweils ein Mitglied würden die umliegenden 32 Gemeinden und die 18 Stadtbezirke der Gemeinde Warschau stellen. Damit ein Beschluß angenommen werden kann, muss die Mehrheit der Ratsmitglieder zustimmen, welche zugleich die Mehrheit der neuen Megastadt repräsentieren müssten. Zusätzlich hätte die Gemeinde Warschau einen eigenen Rat. Die Aufgabenverteilung beider Räte ist derweilen noch unklar.
Gründe für die Umstruktierung
In der Begründung zum Projekt werden zwei Argumente vorgelegt. Angeblich entwickelt sich die Stadt Warschau in ihrer jetzigen administrativen Struktur nicht mehr. Es werden jedoch keine Fakten vorgelegt, die das belegen würden. Zum anderen sei es Warschau unmöglich überlokale Projekte ins Leben zu rufen. Wenn man heute durch Warschau fährt, kann man diesen beiden Argumenten nich zustimmen. Deshalb wären harte Fakten wirklich sinnvoll, um eine Legitimation für dieses Projekt zu erlangen.
Die Opposition sieht in dem Projekt den ersten Schritt der Änderung der Wahlkreise. Denn eine Grenzerweiterung zieht eine Anpassung des Wahlrechts nach sich. Die Unterstützung in den umliegenden Gemeinden ist wesentlich höher als in Warschau selbst. Diesen Rückstand könnte die PiS durch den Anschluß der Gemeinden ausgleichen – so sieht es zumindest die Opposition. Die Stadtpräsidentin, die Mitglied der oppositionellen Bürgerplattform (PO) ist, kritisiert das Gesetz und sieht darin „einen Vorschlag zur neuen Teilung der Hauptstadt“. Es sei zudem ein „Drang zur Macht, den sich nur ein Schlitzohr ausdenken könne“. Zusätzlich macht sie darauf aufmerksam, dass im neuen Mega-Warschau die Anzahl der Warschauer-Ratsmitglieder nur halb so hoch wäre wie die der neuen Gemeinde.
Die Tageszeitung dziennik.pl hat eine Proberechnung vorgenommen. Die Redakteure haben das Wahlergebnis von 2015 auf das Neue Warschau angewandt. Wenn man davon ausgeht, dass auf den Kandidaten der PiS die Wähler der Parteien Kukiz´15 und Korwin und auf den Kandidaten der PO die Wähler der Opposition, der Linken und der Bauernpartei PSL ihre Stimmen abgeben würden, dann käme ein Stimmenverhältnis von 52 zu 46 zu Gunsten des Oppositionskandidaten heraus. Das Problem bei dieser Berechnung ist jedoch, dass man nur die unmittelbar angrenzenden Gemeinden in die Rechnung eingenommen hat. Das Projekt sieht aber darüberhinaus vor noch 14 Weitere einzugemeinden.
Die Kommunalwahlen finden 2018 statt.
Gesetzesvorlage im Eiltempo
Das Gesetz ist am letzten Montag im Parlament eingereicht worden und soll schon bald nach dem Prüfungsprozess zur ersten Lesung vorgebracht werden. Da es die Vorlage eines Abgeordneten ist, wird eine vorherige parlamentarische Beratung überflüssig. Diese ist nur dann zwingend, wenn die Vorlage von einem Ministerium ausgeht.
Für das Projekt wirbt der ehemalige Wojewode Masowiens und PiS-Kandidat bei den letzten Kommunalwahlen 2011 Jacek Sasin. Damals hat er die Wahlen gegen die amtierende Stadtpräsidentin Hanna Gronkiewicz-Waltz, Kandidatin der Oppositionspartei Bürgerplattform (PO), verloren. Er betont jedoch, dass es keine Gesetzgebung ist, die nur einer Partei zugute kommen soll. Vielmehr gehe es ihm und seiner Partei darum, den Bewohnern Warschaus das Leben zu vereinfachen und lebenswerter zu machen.
Vor allem die Bewohner sind davon betroffen – werden aber nicht gefragt
Der Gesetzesvorschlag wurde ohne vorherige Beteiligung der Öffentlichkeit eingereicht. Die Stadtpräsidentin hat deswegen sofort einen offenen Briefe an die betroffenen Gemeinderäte geschickt, sie mögen schnell und konkret handeln. Beide Parteien sind sich sicher, dass die Mehrheit der Bewohner für und gegen das Projekt ist. Das mag auch für die entsprechenden politischen Anhänger stimmen. Dabei ist einem jedoch nicht mehr klar, ob es sich hierbei noch um eine Sache der Vernunft handelt oder ob alle wichtigen Angelegenheiten des Landes auf dem Rücken der Bewohner ausgetragen werden.
Bild: Kulturpalast in Warschau bei Nacht // (cc) Lukas Plewnia [CC BY-SA 2.0] / Flickr, polen-heute.de