Kein Einzelfall – eine polnische Schuldnerin lieh sich vor vielen Jahren rund 125 Euro und muss jetzt einige zehntausend Euro zurückzahlen. Vor Gericht verlor Frau Helena und der Gesetzgeber schaut zu – und sie steht nicht alleine da.
Kurioses kennt man aus jedem Land, deswegen ist es so schwer, den aufgeklärten Medienmenschen zu überraschen. Doch manchmal geschieht das – und dann handelt es sich um Lichtblicke der Medien.
So ein Augenblick schafften die Hauptnachrichten des polnischen Senders tvn am letzten Samstag. Zwar war das an diesem Abend Gesendete für den durchschnittlichen Polen eher normal – man kennt das eigene Land -, doch der ausländischer Beobachter kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Berichtet wurde von einer älteren Frau, die vor Jahren einen Kurzzeitkredit aufnahm. Nichts ungewöhnliches bisher. Doch der Kredit war mit einem Zinssatz von 9 Prozent belegt – pro Tag.
Frau Helena, wie sie von den Medien genannt wird, hatte vor einigen Jahren 500 Zloty (rund 125 Euro) von einem privaten Kreditunternehmen geliehen. Die Bedingungen sahen vor, dass der Betrag innerhalb von 30 Tagen zurückgezahlt wird. Jeder nachfolgende Tag wird mit einem Strafzins von 9 Prozent belegt.
Als Witwe mit Kindern gestaltet sich das Leben in Polen nicht einfach: Von Zahlungen, wie sie das deutsche soziale Sicherungssystem bereitstellt, können Polen nur träumen. Am Hungertuch nagend hangelte sich die alleinstehende Mutter von einem Kredit zum anderen. Diesen Kurzzeitkredit wollte die Frau in Raten abbezahlen. Von dem Strafzins erfuhr sie erst nach einigen Monaten, doch da war die Rückzahlsumme schon erheblich angewachsen.
Die Politik schaut zu
Heute nun beträgt die Summe der Rückzahlung 185.000 Zloty (ca. 47.000 Euro), von der Sie schon 35.000 Zloty (ca. 9.000 Euro) zurückgezahlt hat. Gerichtlich ist Frau Helena gegen das Kreditunternehmen vorgegangen. Doch der Vertrag wurde vor Gericht bestätigt, da sie diesen einige Zeit vor Einführung eines Gesetzes gegen Wucherzins abschloss. Vielmehr wächst die Kreditsumme weiter von Tag zu Tag. Wenn nichts passiert, wird sie am Ende ihres Lebens wohl einige Millionen oder Milliarden an Euro Schulden ihr Eigen nennen dürfen. Aktuell werden vom Gerichtsvollzieher 800 Zloty (ca. 200 Euro) im Monat gepfändet – ein hoher Betrag für die Schuldnerin, die ihren Lohn als Reinigungskraft verdient.
Da der Rechtsweg ausgeschlossen scheint, ist Frau Helena für ihr Leben gezeichnet. Und sie ist kein Einzelfall: In polnischen Foren kann man von vielen Menschen lesen, die durch besagte Kurzzeitkredite um hohe Beträge gebracht wurden. Dies ist sicherlich auch ein Zeichen des wilden Kapitalismus nach amerikanischem Vorbild, der in der Transformation in Polen eingeführt wurde. Die Politik scheint sich dafür jedoch nicht zu interessieren.