Pole neuer Star im Radsport

Der Radrennprofi Rafal Majka gewann gestern als erster Pole seit 2003 die traditionsreiche Polen-Rundfahrt Tour de Pologne. Damit und mit vorherigen Erfolgen steht der 24-Jährige kurz davor, als Sportstar in das gesellschaftliche Bewusstsein Polens aufgenommen zu werden. Damit wäre er Nachfolger von bekannten Persönlichkeiten wie Adam Malysz oder Justyna Kowalczyk.

Jede Nation hat Stolz, Ängste, eine verbindende Geschichte, kollektive Narrationen. Geprägt werden diese durch charismatische Personen, die mal im Positiven, mal im Negativen Sinnzusammenhänge stiften. Fast jeder Bereich des Lebens hat sie – in der deutschen Politik sind es zum Beispiel Willy Brandt oder Helmut Kohl, die einen großen Teil der gesamtdeutschen Nachkriegsgeschichte prägen. Unvergessen bleiben Brandts Kniefall in Warschau und Kohls Verdienste um die deutsch-deutsche Vereinigung (die sich im nationalen Gedächtnis als Wiedervereinigung verankerte).

Solche Heldengeschichten gibt es – vielleicht noch viel häufiger – im Sport. Emotionaler sind sie, da die Spielregeln weit deutlicher sind als zum Beispiel in der Politik oder Wirtschaft. Mann gegen Mann, Auge um Auge wird gekämpft, der Bessere soll siegen. Geschichten wie die des mehrfachen Wimbledon-Gewinners Boris Becker graben sich tief ins Selbstbewusstsein der Nation und verhelfen ganz nebenbei einer Sportart zu außergewöhnlicher Popularität.

Polen – die geschundene Nation – ist ganz besonders auf solche Heldenepen angewiesen. Und es gibt sie: Justyna Kowalczyk, Adam Malysz, Kazimierz Deyna sind nur Beispiel polnischer Gladiatoren. Jetzt erscheint ein neuer Stern im Spitzensport. Rafal Majka gewann gestern als erster Pole seit 2003 die Tour de Pologne. Das wichtigste Radsport-Event in Polen, das seit 1952 jedes Jahr ausgetragen wird und dessen Wurzeln bis 1928 zurückragen, gehört zur UCI World Tour, was es zu einem der Top-Radsport-Ereignisse weltweit macht.

Der 24-jährige Radprofi konnte sich auf der traditionsreichen Polen-Rundfahrt gegen Jon Izaguirre und Benat Intxausti, beide Spanier, durchsetzten. Aufsehen erregten dieses Jahr schon seine zwei Etappensiege bei der Tour de France sowie sein 6. Platz beim Giro d’Italia. Wenn in der nächsten Saison eine gute Platzierung bei einem international bedeutsamen Radsportrennen dazukommt, könnte das der endgültige Durchbruch für den jungen Polen sein.