Das polnische Hauptstatistikamt überrascht mit der Einbeziehung von Prostitution und Drogenhandel in das BIP. Doch den Deutschen sollte diese Nachricht nicht wundern, denn die polnische Idee kommt nicht von ungefähr.
Der Nachbar hinter der östlichen Grenze wirkt für die Deutschen in vielem gewöhnungsbedürftig. Auch wenn beide Länder – Deutschland und Polen – eine lebhafte Geschichte mit Krieg und Aussöhnung verbindet, sind so manche Sitten immer noch fremd. Auf jeden Fall aber wird dem typischen Jan Kowalski nachgesagt, er sei erzkatholisch, esse gerne deftig und trinke am liebsten klares Destillat.
Abseits solcher – oft begründeter – Vorurteile überrascht dann der Nachbar doch immer wieder kapriziös. So geschehen dieser Tage; da meldete die polnische Presse unverhohlen, dass Sex, Kriminalität und Drogen jetzt im polnischen Hauptstatistikamt (GUS) Einzug halten. Aber nicht in Form von physischen Produkten oder Dienstleistungen, die die Beamten in Anspruche nehmen, wie man vielleicht als erstes denken würden. Nein, das Land erhöht sein BIP durch das Einbeziehen des grauen und schwarzen Marktes.
Wer hat’s erfunden?
So soll 2013 das BIP um rund 0,79 Prozent höher ausfallen, also um 4,16 Milliarden Euro, wenn die Arbeitsleistung von Prostituierten, der Schmuggel von illegalen Zigaretten sowie der Drogenhandel mit einberechnet werden. Woher wissen aber die Schreibtischtäter, wie hoch der Umsatz einer Prostituierten ist oder wie viele unversteuerte Zigaretten pro Kopf geraucht werden? Ganz einfach, es wird geschätzt: Informationen über Schwarzmarktpreise und die Höhe des Konsums von Drogen werden genauso herangezogen, wie die Menge von an der Grenze abgefangenen unverzollten Zigaretten.
Die Quelle der Änderung in der Berechnung der Wirtschaftskraft sollte niemanden verwundern. Und wer denkt, dass die Polen halt etwas komisch sind, der irrt gewaltig. Die Implementierung der neuen Regelung geht einher mit der Einführung des European System of National and Regional Accounts (ESA 2010), das von Eurostat vorgegeben wird, mit dem die nationalen Statistikbehörden zusammenarbeiten. Damit sollen zudem die Statistiken bis 1991 rückwirkend mit Schätzungen angeglichen werden. Der Nebeneffekt ist, dass nun Randgruppen der Gesellschaft das gute Gefühl erhalten, als Leistungsträger einen Beitrag zum Wirtschaftswachstum leisten zu können. Fragt sich nur noch, was die Polen mit dem erhöhten BIP pro Kopf machen.