Polen ist zum zweiten Mal in Folge zum attraktivsten Standort Mittelosteuropas für deutsche und ausländische Direktinvestitionen gewählt worden. Das Land profitiert dabei von der EU-Mitgliedschaft sowie den gut ausgebildeten und motivierten Arbeitskräften. Insbesondere der Dienstleistungssektor erfährt einen enormen Boom. Nichtsdestotrotz hält der Exodus der gut qualifizierten Polen weiterhin an.
Bei der diesjährigen Befragung der Deutsch-Polnischen Industrie- und Handelskammer (AHK Polen) wurde Polen zum zweiten Mal infolge zum attraktivsten Standort Mittelosteuropas für deutsche Investitionen gewählt. Der Nachbar Deutschlands konnte sich damit gegen fünfzehn Mitbewerber durchsetzen. Dahinter folgt Tschechien, das von 2006 bis 2012 den ersten Platz belegte, sowie Estland auf dem dritten Platz. Befragt wurden über 1.440 deutsche Investoren aus sechzehn mittelosteuropäischen Staaten, von denen 142 in Polen aktiv sind. 94 Prozent der befragten Firmen würden wieder in Polen investieren. Damit belegt Polen zusammen mit Estland vor Litauen den ersten Platz.
Auch ist Polen nicht nur bei deutschen Investoren äußerst beliebt. Polen ist insgesamt der attraktivste Standort Mittelosteuropas für ausländische Direktinvestitionen. Das ergab eine weitere Befragung der AHK Polen, bei der die 142 ausländischen Unternehmen befragt wurden, die mit ihrem Kapital in Polen aktiv sind. Dahinter folgen Tschechien und die Slowakei. 75 Prozent der befragten Unternehmen wollen ihre Investitionsausgaben in Polen erhöhen oder beibehalten.
In beiden Befragungen zeigt sich darüber hinaus, dass Polen vor allem von der EU-Mitgliedschaft, der Qualifizierung und Ausbildung des Personals sowie der Produktivität und Motivation seiner Mitarbeiter profitiert.
Doch gibt es für die ausländischen Investoren auch einige Kritikpunkte: Als negativ werden vor allem eine niedrige Sicherheit für Investoren vor Gesetzesveränderungen, das Steuersystem und die Steuersituation sowie eine ineffektive öffentliche Verwaltung kritisiert. 91 Prozent der befragten deutschen und 35 Prozent der internationalen Unternehmen bezeugen der polnischen Wirtschaft jedoch eine gute Verfassung.
Insbesondere der Dienstleistungssektor sorgt für den Boom
Die polnische Wirtschaft konnte die globale Banken und Finanzkrise bisher gut meistern. Dank dem Zloty ist Polen von der Euro-Krise weitgehend verschont geblieben. Das BIP wuchs in den letzten Jahren stärker als im EU-Durchschnitt. Die Arbeitslosigkeit konnte ebenfalls leicht gesenkt werden und liegt nun unter dem EU-Durchschnitt.
Insbesondere der Dienstleistungssektor erfährt in Polen einen Boom und wächst jährlich zwischen zehn und 20 Prozent. 2011 gab es in Polen 337 ausländische Dienstleistungszentren. Damit hat sich diese Anzahl seit 2004 fast vervierfacht. Heute arbeiten ca. 128.000 Menschen in diesem Bereich. Alleine in Krakau sind es 35.000 Menschen. Damit hat es die geschichtsträchtige Stadt auf dem neunten Platz der 100 attraktivsten Outsourcing-Ziele für ausländische Unternehmen geschafft. Warschau konnte sich um vier Plätze auf den 32. und Breslau um zehn Plätze auf den 65. Platz verbessern. Krakau und Dublin (Platz 10) sind die einzigen europäischen Städte, die es in die Top-Zehn des Rankings schafften.
Der östliche Nachbar Deutschlands entwickelt sich damit zu einem europäischen Zentrum für den internationalen Dienstleistungssektor. Bis heute ist die Anzahl der Dienstleistungszentren in Polen auf 450 angewachsen. Dank der Änderung der gesetzlichen Regelungen im Bereich des Fondsmanagements möchte Polen auch in diesem Bereich zu den attraktivsten Standorten in Europa aufschließen, die sich momentan in Irland und Luxemburg befinden. Daher werden in diesem Bereich in den nächsten drei bis sieben Jahren weitere 100.000 neuen Stellen erwartet.
Der Exodus der polnischen Arbeiter hält seit 2004 weiterhin an
Trotz dieser positiven Entwicklungen ist das Ausland für die Polen noch immer als Arbeitgeber attraktiv. Seit dem Beitritt Polens zur EU haben etwa 2,1 Millionen Menschen das Land verlassen, um vor allem im europäischen Ausland Arbeit zu finden. Das entspricht etwa zehn Prozent der polnischen Arbeitnehmer. Nicht mit eingerechnet sind Saisonarbeiter, die für weniger als drei Monate das Land verließen.
Alleine zwischen 2004 und 2012 ist die Anzahl der Polen, die im EU-Ausland lebten um 210 Prozent gestiegen. Zu den beliebtesten Auswanderungsländern zählen Deutschland, England, Skandinavien, die Niederlande und die USA. Die meisten Auswanderer stammen aus Schlesien. Während nach dem Fall des Eisernen Vorhanges viele Polen nur saisonal das Land verlassen haben, lassen sich immer mehr polnische Arbeitnehmer dauerhaft im Ausland nieder. Insbesondere die hohe Arbeitslosigkeit von 9 Prozent sowie die niedrigen Löhne lassen für viele Polen das nahe EU-Ausland als Arbeitgeber attraktiv erscheinen. Dabei ist nicht nur der finanzielle Aspekt entscheidend, sondern auch Stabilität und die besseren Arbeitsbedingungen im europäischen Ausland.
Bild: Warschau, die Metropole an der Weichsel // Lukas Plewnia – polen-heute.de [CC BY 2.0] / Flickr