Das polnische Statistikamt (GUS) hat neue Daten veröffentlicht, wonach das Durchschnittsgehalt in Polen wieder stark gestiegen ist und nun bei 4313,57 PLN liegt. Gezählt werden dabei die Angestellten im Unternehmenssektor. Diese Daten stoßen auf negative Resonanz innerhalb der polnischen Bevölkerung. Die meisten der Beschäftigten sind nämlich sehr unzufrieden mit ihren Gehältern.
Der durchschnittliche Kowalski bekommt 4313,57 PLN brutto monatlich (ca. 983 Euro) für seine Arbeit. Dieser Wert war im April 4,6 Prozent höher als im Vorjahresmonat. Zugleich sind im Unternehmenssektor 2,8 Prozent mehr Menschen eingestellt. In dieser Statistik sind demnach 5.729.000 Menschen erfasst. Diese starke Steigerung der Gehälter haben Analysten nicht so hoch ausfallen sehen.
Roman Przasnyski, Analytiker bei Gerda Broker, stellt zusammenfassend fest, dass die Gehälter einen so rapiden Anstieg zuletzt im Jahr 2011 bis Anfang 2012 erlebt haben und ein solcher Trend ebenfalls jetzt zu erwarten sei. Allerdings nicht in solcher Höhe. Die Gründe für diese Steigerung, so Przasnyski, sind zum einen das positive Wachstum der polnischen Wirtschaft und zum anderen auch die steigende Nachfrage nach spezialisierten Fachkräften, deren Mangel immer spürbarer ist.
Spiegeln die Zahlen die Realität wider?
Wenn man sich jedoch umhört, dann stößt man bei diesen Zahlen größtenteils auf großes Unverständnis innerhalb der polnischen Bevölkerung. Meistens hört man den Kommentar „Die Großverdiener verdienen immer mehr und treiben den Schnitt in die Höhe. Soviel verdient der Durchschnittspole bestimmt nicht“.
Noch letzte Woche hat pracuj.pl in einer Umfrage herausgefunden, dass 70 Prozent der arbeitenden Polen mit ihrem Lohn unzufrieden sind. Das ist womöglich der Grund dafür, dass fast jeder Zweite regelmäßig das Internet nach Stellenangeboten durchstöbert und überzeugt ist, dass man auf dem Laufenden sein muss, um einen besseren Lohn erhalten zu können.
Derweilen sehen in Polen die Arbeitswelten sehr unterschiedlich aus. Während in der Provinz eher Kleinbetriebe die größten Arbeitgeber sind und handwerkliche Ein-Mann-Firmen sehr häufig das Straßenbild prägen, entwickeln sich Schlesien, Krakau aber vor allem Warschau zu Dienstleistungsgiganten, die von Großkonzernen angeführt werden.
Die polnische Bevölkerung steht mit ihrer Unzufriedenheit sicherlich nicht alleine da. Auch in anderen Ländern Europas kann sich ein großer Teil der Arbeitnehmer nicht mit den Zahlen der nationalen Statistikämter identifizieren. Für eine höhere Akzeptanz seitens der Bevölkerung wäre es also ratsamer den Median und den Modalwert heranzuziehen. Die politischen Parteien stießen dann jedoch in Erklärungsnot. Wer weiß, ob dann nicht das nationale Selbstbewusstsein leiden würde.
Grundsätzlich ist die Steigerung der Kaufkraft der Polen klar erkennbar. Man braucht nur auf die Straße gehen und sich an das Straßenbild der 90er-Jahre erinnern. Sämtliche Produkte würden nicht angeboten werden, wenn es keine Nachfrage und Käufer gäbe. So entsteht langsam eine Mittelklasse, die vieles haben will, es sich jedoch „noch“ nicht leisten kann, allerdings aber auch vieles hat. Die Unzufriedenheit hingegen wird bleiben.
Bild: Polnische Flagge // (cc) Lukas Plewnia / polen-heute.de [CC BY-SA 2.0] / Flickr