Deutscher Mindestlohn bedroht Polen

Der deutsche Mindestlohn soll nun auch auf LKW-Fahrer ausgeweitet werden, die im Transit in Deutschland unterwegs sind. Dagegen wehren sich polnische Transportunternehmer, die wesentlich geringere Löhne zahlen. Ist diese neue Regelung Blödsinn?

Polnische StraßeDie Debatte um den Mindestlohn kennt in Deutschland mittlerweile jedes Kind. Das Projekt, dass durch die Hartz-Reformen notwendig wurde, wurde und wird in allen gesellschaftlichen Gruppen – oftmals kontrovers – diskutiert. Was hat aber der deutsche Mindestlohn mit Polen zu tun?

In den polnischen Medien sind vermehrt Berichte erschienen, wonach auch polnische Spediteure ihren Mitarbeitern den Mindestlohn von 8,50 Euro die Stunde bezahlen müssen, wenn diese auf deutschen Straßen unterwegs sind. Von diesen Regelungen seien auch andere europäische Unternehmen, vorwiegend aus dem Osten Europas, betroffen. Auch deutsche Medien wie der DLF haben dieses Thema aufgegriffen. Demnach müsse die Überfahrt eines LKW-Fahrer vorher bei deutschen Behörden angemeldet werden. Bei Zuwiderhandlungen würden Strafen zwischen 30.000 und 500.000 Euro drohen. Andere EU-Mitgliedsstaaten verzichten auf die Erhebung des nationalen Mindestlohns für ausländische Trucker im Transit.

Ein Affront, dieser Meinung sind zumindest polnische Transportunternehmer. Denn sie bezahlen in der Regel Stundenlöhne, die lediglich um die 20 Prozent des deutschen Mindestlohns betragen. Daher ist über die polnischen Medien zu vernehmen, die polnischen Unternehmer könnten sich die deutschen Löhne nicht leisten. Zudem sei dies ein Eingriff in das polnische Unternehmertum. Die polnische Regierung ist schon eingeschaltet. Ministerpräsidentin Ewa Kopacz lässt die Situation analysieren und ist mit den zuständigen Ministern im Gespräch. Voraussichtlich folgen bilaterale Gespräche auf Ministerebene zwischen beiden Nachbarstaaten.

Die EU-Kommission ist auch schon eingeschaltet. Ein Sprecher von Elzbieta Bienkowska, der polnischen Kommissarin für Industrie, teilte inoffiziell mit, dass die Kommission noch diese Woche ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleiten werde. Denn die neuen Regelungen über die Ausweitung des Mindestlohns würden dem europäischen Recht widersprechen. Die Kommission werde daher von der deutschen Regierung eine schnelle Erklärung verlangen – und zwar innerhalb von zwei Wochen und nicht innerhalb von 70 Tagen, so wie es EU-Recht vorsieht.

Alles Unfug?

Ist die Anwendung des deutschen Mindestlohns auf ausländische LKW-Fahrer nun Unfug, so wie es einige polnische Politiker bezeichnen?

Klar ist, dass sich in einem vereinten Europa auch die Löhne angleichen müssen. Dieses hat auch positive Auswirkungen auf den Binnenkonsum in ärmeren Ländern wie Polen. Denn die polnischen Trucker können mit einem höheren Einkommen mehr sparen und konsumieren. Das regt das Wirtschaftswachstum in Polen an. Zudem wird Lohndumping in der Transportbranche verhindert.

Dass aber Unternehmer Angst um ihre Pfründe haben und reflexartig aufschreien, wenn plötzlich Arbeitnehmer in den Mittelpunkt geraten, ist nachvollziehbar, trägt jedoch zur Debatte nur wenig bei. Das Abendland geht nicht unter, wenn Menschen anständig bezahlt werden. Ganz im Gegenteil.

Bild: Polnische Straße  // (cc)  Lukas Plewnia – polen-heute.de [CC BY 2.0] / Flickr